Campiello

“Der Herr hat uns gegeben nichts als den Atem zum Leben.
Nichts als Mühe und Plag ist der kommende Tag.
Einen leeren Ranzen. Ein Bett voller Wanzen.
Gottvertrauen und aufs Jenseits bauen.
Da werden wir eben unsere Stimmen erheben
und schreien: Wo bleibt unser Leben?”

Das Stück

In Carlo Goldonis Theaterstück “Campiello” entstand der Witz vor allem durch das Aufeinandertreffen zweier italienischer Dialekte. Ich habe die ursprüngliche Absicht, das Stück ins Deutsch zu übersetzen, aufgegeben, weil die Konfrontation zweier heimischer Dialekte durchaus nicht soviel hergibt wie im Italienischen.

In meiner Fassung des Campiello treffen weniger zwei verschiedene Arten des Sprechens, sondern vielmehr zwei verschiedene Arten des Denkens, des Bewusstseins aufeinander. Die armen Leute vom “Campiello” – worunter man einen kleinen Platz in Venedig versteht – repräsentieren das Proletariat, ihr Bewusstsein ist ein proletarisches. Den Gegensatz stellt der Cavaliere dar, ein besserer Herr aus Neapel. Diese Begegnung, dieses Aufeinandertreffen verläuft solange komödiantisch, bis sich die Geister voneinander scheiden, die Klassen voneinander abheben, das Verhalten des Oberen für die Unteren nicht mehr “witzig” ist, sie in ihrer Existenz bedroht. Sie kündigen das komödiantische Verhältnis und setzen anstelle des Witzes die Gewalt.

Dies ist kein Stück über gute und schlechte Menschen. Es ist ein Versuch, das Verhalten der Menschen als etwas von Lebensbedingungen und Lebensmöglichkeiten Abhängiges darzustellen. Was für die Leute vom Campiello eine Katastrophe ist, was sie wild und gefährlich macht, kann für den Cavaliere eine aufregende Unterhaltung sein.

In noch einem Punkt verlasse ich das Original. Es hat mich schon immer gestört, wenn das Publikum über die Liebessehnsüchte älter werdender Frauen lacht. Dieses Auslachen, das so krampfhaft die Angst vorm eigenen Altwerden kaschiert, wollte ich dem Publikum nicht schenken. Ich wollte zeigen, dass es nicht lächerlich ist, wenn älter werdende Frauen auf ihrer Sehnsucht nach Liebe bestehen, sondern mutig.

Peter Turrini

Der Autor

Peter Turrini wurde 1944 in St. Margarethen in Kärnten geboren. Seine Matura legte er 1963 in Klagenfurt ab und war seitdem in den verschiedensten Berufen tätig. Seit 1971 lebt er als freier Schriftsteller in Wien.

Die Besetzung

Donna Catte Hilde Klauda
Lucietta, ihre Tochter Sylvia Siebinger
Anzoletto, Luciettas Verlobter Franz Valsky
Donna Pasqua Antonia Valsky
Gnese, ihre Tochter Eva-Maria Hansy
Donna Orsola Ulrike Ankowitsch
Zorzetto, ihr Sohn Sonja Pesl
Sansuga, der Wirt Michael Ankowitsch
Fabrizio, ein Gelehrter Franz Kosak
Gasparina, seine Nichte Isabell Paminger
Cavaliere, ein Adeliger Johannes Schreiner

Die Regie

Rudolf Votzi

Die Fotos

Die Fotos von der Sondervorstellung in Orth a. d. Donau